Das Projekt

Ausgehend von Erkenntnissen der Mehrsprachigkeits- und Schreibforschung wird untersucht, wie sich der wiederholte Einsatz von verschiedenen „Schreibarrangements“, d.h. didaktischen Textproduktionssettings, auf die Qualität der Texte von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Familiensprachen in der 6. Jahrgangsstufe von Gymnasien, Gesamtschulen und Oberschulen auswirkt. Die Spezifika der Arrangements bestehen in ihrer jeweiligen „sprachlichen Profilierung“, d.h. darin, ob den Schülerinnen und Schülern sprachliche Hilfen angeboten werden und woraus diese bestehen. Das Interesse richtet sich sowohl auf intra- als auch interlinguale Effekte.

In intralingualer Hinsicht wird untersucht, wie sich die unterschiedlichen deutschen Arrangements auf die deutschen Texte der beteiligten Schülerinnen und Schüler auswirken. Die Untersuchung der Wirksamkeit eines sprachnahen Schreibförderkonzepts ist ein Desiderat der schreibdidaktischen Forschung. Dabei wird auch der potenziell moderierende Einfluss interindividueller Lernercharakteristika, z.B. der „Familiensprache(n)“ der Schülerinnen und Schüler, erforscht. Diesbezüglich werden die folgenden drei Gruppen unterschieden:

  1. in Deutschland aufgewachsene und eingeschulte Lernende, deren Familiensprache Deutsch ist („dF“),
  2. in Deutschland aufgewachsene und eingeschulte Lernende, deren Familiensprachen Deutsch und mindestens eine nichtdeutsche Sprache sind („dndF“),
  3. in Deutschland aufgewachsene und eingeschulte Lernende, deren Familiensprache mindestens eine nichtdeutsche Sprache ist („ndF“).

In interlingualer Hinsicht steht im Mittelpunkt, welche Auswirkungen die deutschen Schreibarrangements auf die türkischen Texte einer Subgruppe von bilingualen Schülerinnen und Schülern mit Türkisch und/oder Deutsch als einer Familiensprache haben, d.h. inwiefern sich die unterschiedlichen sprachlichen Hilfen i.S. einer interlingualen Transformation auf die Textproduktion im Türkischen auswirken. Ein Förderansatz im Hinblick auf eine literal weniger entwickelte Familiensprache (Türkisch) allein auf der Grundlage der literal stärker entwickelten Amtssprache (Deutsch) ist ein Desiderat der Mehrsprachigkeitsforschung.

Wie und was wurde untersucht?

Zu Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Interventionsstudie in 15 sechsten Klassen eines Gymnasiums sowie einer Gesamtschule in NRW und einer Oberschule in Bremen durchgeführt. Sie erstreckte sich über fünf Monate (Dezember 2014 bis April 2015) und umfasste insgesamt sieben Erhebungszeitpunkte im Deutschen sowie im Türkischen. Die Intervention fand ausschließlich im Deutschunterricht statt. Die Schülerinnen und Schüler hatten zu jedem Erhebungszeitpunkt die Aufgabe, eine Figurenbeschreibung anzufertigen. Gegenstand der Beschreibungen war das Thema „Superhelden und Superschurken“. Bei jeder Erhebung wurde eine andere Figur eingesetzt. Die jeweils vier Erhebungsgruppen beschrieben dabei stets dieselbe Figur. Außerdem erhielt jede Gruppe einen defizitären „Ausgangstext“ zur Figur und es wurden Überarbeitungsstrategien in einem Lehrvideo präsentiert.

Die Unterschiede zwischen den Arrangements ergaben sich allein dadurch, ob und wie im Deutschen zusätzliche sprachliche Hilfen gegeben wurden. Dabei liegt der Gestaltung der Intervention das Konzept der „Textprozedur“ (Feilke 2014, Steinhoff 2007: 118f.) zugrunde, das die semiotische Kopplung von sprachlicher Form und Funktion in Texten beschreibt. Es wurden im Deutschen vier Gruppen mit unterschiedlichen sprachlichen Hilfen gebildet. Die Teilnehmenden verblieben während der gesamten Interventionsphase in der ihnen zugeteilten Gruppe. Im Arrangement der Kontrollgruppe („Basisprofilierung“) erhielten die Lernenden keine sprachlichen Hilfen, die erste Interventionsgruppe erhielt nur Schemahilfen („Schemaprofilierung“) bzgl. der Funktion einer sprachlichen Handlung (z.B. Vergleiche die Figur mit anderen Figuren.), die zweite Interventionsgruppe nur Ausdruckshilfen („Ausdrucksprofilierung“) in Form von Formulierungsbeispielen (z.B. … sieht aus wie …) und die dritte Interventionsgruppe kombinierte Ausdrucks- und Schemahilfen („Prozedurprofilierung“). Die Arrangements im Türkischen wurden sprachlich nicht profiliert und ähnelten denen der Kontrollgruppe aus dem Deutschunterricht („Basisprofilierung“). Insgesamt wurden 2166 deutsche Texte von 322 Schülerinnen und Schülern produziert. Von der bilingualen Subgruppe (n = 91) gibt es zudem 607 türkische Schülertexte. Alle Texte wurden hinsichtlich ihrer Qualität ausgewertet. Um diese aufgabenspezifisch und funktionsbezogen zu bestimmen, wurde ein „Textprozeduren-Rating“ entwickelt. Ein solches Rating ist eine Reaktion auf ein dringliches Desiderat der schreibdidaktischen Forschung (Feilke 2015: 57).